Die neue EU-Datenschutzgrundverordnung (EU-DSGVO) ist am 1. Oktober 2020 in Kraft getreten. Das merken wir jetzt alle an den auf fast jeder Webseite mindestens einmal aufpoppenden Fenstern, die uns die Erlaubnis zum Setzen sogenannter Cookies durch den Seitenbetreiber abverlangen. Erst danach können wir uns weiter auf den Seiten bewegen. Geht das in die richtige Datenschutz-Richtung oder zu weit oder sogar nach hinten los?
Cookies sind kleine Textdateien mit kryptischen Zahlen, die auf deinem Rechner abgelegt werden sollen, um dein Surfverhalten zu analysieren oder Informationen über dich zu sammeln. Kurz, es geht um personenbezogene Daten, noch kürzer, um private. Das können durchaus sensible Daten sein – und da ist es grundsätzlich absolut zu begrüßen, dass dem Internetbesucher nun die Möglichkeit gegeben wird, selbst zu entscheiden, welche Cookies die jeweilige Website setzen darf und welche nicht. Folgerichtig kann man jetzt feingliedrig entscheiden. Man hat beispielsweise die Wahl zwischen Begrifflichkeiten wie „Essenziell“, „Statistiken“, „Externe Medien“ oder „Koschere Cookies“. Natürlich gibt es auch immer den Button „Alle akzeptieren“ – Wunsch-Klick aller Unternehmen.
Aber gehen wir jetzt wirklich sensibler mit unseren Häkchen um? Nein. Denken wir jetzt intensiver darüber nach, welche Informationen wir mit Dritten vielleicht besser nicht teilen sollten? Nein. Sollten wir? Ja! Besonders die Industrie hat ein gesteigertes Interesse daran, an Daten zu gelangen, die Teil unserer Privatsphäre sind – wie das gelingt und warum wir alle betroffen sind, zeigen das Hundefutter-Video „Das Dilemma mit den sozialen Medien“ und unser Artikel „Algorithmus der Gleichmacherei“, verlinkt in der Lesebox. Spätestens nach Ansicht und Lektüre wird deutlich, dass viele Menschen offensichtlich noch kein wirkliches Gefühl für die Notwendigkeit von Datenschutz entwickelt haben, auch nach vielen Jahren der intensiven Surferei noch nicht.
Gut gemeint, schlecht gemacht
Die gute Nachricht: Die EU-DSGVO will nicht Daten schützen, sondern User. Leute wie dich und mich. Die schlechte Nachricht: Sie kommt in Frieden, aber sie nervt! Laut einer gerade veröffentlichten Studie von Bitkom Research, durchgeführt im Auftrag des Digitalverbands Bitkom, drückt jeder zweite Besucher einer Webseite binnen Sekunden auf den „Ist-mir-doch-egal-Button“. Die Hälfte aller Nutzer empfindet diese neuerdings ständig auftauchenden Cookie-Warnungen also schon nach kürzester Zeit nicht als Möglichkeit, sondern als Belastung. Ohne auch nur einen Gedanken an Konsequenzen zu verschwenden, werden die kleinen Fensterchen so fleißig weggeklickt wie sonst nur 30-seitige AGBs. Die eigentliche Absicht der Politik, eine gesteigerte, mindestens aber eine gesunde Sensibilität für den Datenschutz zu erreichen, scheint also in der Praxis schon verloren gegangen zu sein. Verständlicherweise.
Start me up – Ein Fenster reicht
Es gibt stattdessen schon Add-Ons und Browser-Plugins wie „I don’t care about Cookies“, verfügbar für Firefox, Chrome und Opera. Nutzer von Apple Safari oder Microsoft Edge können die Warnungen über das Installieren einer Filterliste in den Adblocker-Erweiterungen wie Adblock Plus oder U-Block abstellen. Man sollte sich dann allerdings darüber im Klaren sein, dass damit automatisch allen besuchten Webseiten pauschal die Genehmigung erteilt wird, Cookies auf dem Rechner zu setzen.
Ein ganz anderer Ansatz wäre interessant gewesen. Anstatt sich von Seite zu Seite Fenster um Fenster antun zu müssen, wäre mir ein einziges Fenster ganz zu Anfang lieber gewesen: „Achtung! Sie betreten jetzt das Internet. Hier und jetzt können Sie festlegen, welche Cookies auf Ihrem Gerät installiert werden dürfen. Diese Einstellungen sind für alle Seitenbetreiber im Rahmen der nun startenden Sitzung verbindlich. Vor Beginn Ihrer nächsten Internetnutzung können Sie die Einstellungen widerrufen und neu definieren.“
Krümel auffegen
Zum Schluss ein kurzes FAQ und ein technologischer Ausblick, für den man kein Fernglas braucht: Sind Cookies generell böse, heimtückisch und gemein? Nein! Gibt es übel krümelnde Cookies, so wie es auch schwarze Schafe gibt? Ja! Um eben diese Differenzierung sollte es uns allen gehen! Daten-Transparenz ist kein Selbstzweck. Und eine deutsche IP-Adresse nützt uns gar nichts, denn wir bewegen uns im World Wide Web – so mancher Server steht in irgendeinem Polizeistaat, so mancher Cyber-Kriminelle wartet nur auf unsere alles akzeptierenden Klicks. Im schlimmsten Fall ist der Schaden groß, das Gejammer laut.
Vermutlich ist das gesamte Cookie-Thema alsbald sowieso schon wieder obsolet, denn die Industrie hat mit dem sogenannten „Fingerprint“ schon längst etwas Neues entwickelt. Aber das ist eine andere Geschichte, die wir aufgreifen, sobald sie akut wird. Und übrigens: Wir selbst setzen auf unserer Seite auch Cookies. Wollen wir jedenfalls. Zum Beispiel damit du bei deinem nächsten Besuch einen Hörensagen-Beitrag genau da weiterhören kannst, wo du beim letzten Mal aufhören musstest. Ist das Teufelswerk? Nein. Und wenn doch? Tja, als du vorhin unsere Seite aufgerufen und vermutlich auf „Alle akzeptieren“ geklickt hast, war dir das egal.
Frag die Hundesöhne gerne zu diesem Artikel. Dann musst Du aber auch mit der Antwort leben können!
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