Unberechtigte Elfmeter, Abseitstore, Platzverweise. Dreckige Siege. Wir alle kennen die dann immer gleichlautenden Interviews danach – wichtig seien nur die drei Punkte. Schon morgen werde niemand mehr darüber sprechen, wie der Sieg zustande kam oder wie man die nächste Runde erreicht hat. Fußball in Corona-Zeiten offenbart aber mittlerweile eine für mich neue, eine mir bislang völlig fremde Facette des Begriffs Ergebnis-Sport.
Ich will diese Facette eigentlich gleich hier, also sofort am Anfang genau benennen, denn ein längerer Artikel soll das gar nicht werden. Ohne einen kurzen Einblick in meine Fußball-Seele geht’s aber nicht: Wie unzählige andere Fußball-Fans habe ich Dauerkarte über Dauerkarte gekauft, in meiner Kurve gestanden und meine Farben angefeuert. Mehr als 25 Jahre lang habe ich Heimspiele nur verpasst, wenn es unvermeidbar war. Fast so wie der Titel des Buches von Christoph Biermann es besagt: “Wenn Du am Spieltag beerdigt wirst, kann ich leider nicht kommen.“ Ich bin sogar mal zum Capo gegangen, um ihm lautstark mitzuteilen, er solle verdammt nochmal seinen Job machen, als er für mein Empfinden zu viel flirtete anstatt auf dem Zaun für Stimmung zu sorgen. Wir haben das Spiel letztlich nach einem Rückstand noch gewonnen, und der Capo hat es sich nicht nehmen lassen, mich im Block aufzuspüren und mir ein Bier auszugeben.
Covid ist kein Spieler, 19 keine Rückennummer
Der Fußball hat mir diese Leidenschaft und diese emotionalen Momente geschenkt, Corona hat sie mir geraubt. Für die aktuellen Maßnahmen habe ich Verständnis, darum geht’s mir nicht. Geisterspiele oder Spiele vor Minimal-Kulisse ohne Gästefans müssen vielleicht sein, um dieses Drecks-Virus in den Griff zu kriegen. Ich weiß, darüber ließe sich jetzt trefflich streiten, aber auch das ist nicht mein Punkt. Vielmehr erwische ich mich mittlerweile dabei, die Ligen wie ein in Nebel gehülltes Paralleluniversum wahrzunehmen: Ach ja, Spieltag. Wann spielen wir? Sonntag, ok. Sonstige Paarungen? So so. Noch bis zur Winterpause der Saison 2019/2020 hätte ich all das Tage zuvor gewusst, hätte ich die Tabelle und Punktestände wie ein Gedicht aufsagen können.
Erreger als Hoffnungsträger?
Das Virus hat nicht das Spiel verändert, nicht die Taktiken, nicht die Berichterstattung. Alles beim Alten. Für mich ist trotzdem alles anders. Das einst glitzernde Fußball-Karussell dreht sich um sich selbst und um seiner selbst willen. Der Profi-Fußball zündet kein emotionales Feuerwerk, sondern implodiert wie ein ferner Stern. Die bekannten Gründe dafür können nicht darüber hinweg täuschen, dass Fußball nie mehr ein Ergebnis-Sport war als er es jetzt ist.
Geradezu grotesk erscheint mir da die Hoffnung, dass ausgerechnet Corona eine heilende Wirkung haben könnte. Möglicherweise erkennen ja sogar die chronisch ignoranten Funktionärs-Geschwader des DFB und der DFL, dass Fans keine zahlenden Statisten sind, sondern der Antrieb. Dass La Ola nicht die x-te Infektionswelle ist, sondern das, was fehlt. Dass Millionen-Ablösen eine Randnotiz sind, volle Stadien aber die Essenz. Es wird eine Zeit nach der Pandemie geben. Dann schlägt die Stunde so mancher Fußball-Wahrheit. Bis dahin reicht mir der Ticker. Eigentlich sogar das Ergebnis. Momentan ist König Fußball ein Trauer-Spiel.
Frag die Hundesöhne gerne zu diesem Artikel. Dann musst Du aber auch mit der Antwort leben können!
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