In Großbritannien macht sich ein Unternehmen daran, unser auf Kauf und Besitz basierendes Konsumdenken aus seinen zweifelhaften Angeln zu heben. Die Idee dahinter ist nicht neu, aber immer noch verdammt gut. Und sie kann funktionieren, wenn der Kapitalismus in unseren Köpfen ein wenig umdenkt.
Obwohl ich mein Auto täglich nutze, liegt die Auslastung bei mageren fünf Prozent. 95 Prozent seiner Zeit verbringt die Karre, die mal ein ganzes Jahresnetto gekostet hat, auf Parkplätzen oder in der Garage. Den vor drei Jahren gekauften Laubläser habe ich bis heute exakt vier Mal benutzt. Bei einem Anschaffungspreis von 280,- Euro hat mich jede Blasesession umgerechnet 70,- Euro gekostet – für das Geld hätte ich auch einen Profi beauftragen können. Leider ist Carsharing für mich keine Lösung, aber für wahnsinnig viele andere Dinge wäre ich absolut an einer Alternative zur Anschaffung interessiert.
Gekauft? Geklaut? Geliehen!
Die englischen Macher hinter Fat Llama heben das Geschäftsmodell Leihen statt Kaufen auf ein neues Level und stellen sich von Anfang an breitbeinig auf: Per Homepage oder App fungiert die Company als Vermittlungsplattform und erhält eine Provision. Die Verleiher sind Menschen wie Du und Ich, sie stellen die eigenen Dinge gegen eine Gebühr zur Verfügung. Alle Leihgegenstände sind bis zu einem Wert von 25.000 Euro versichert, Ängste vor Beschädigung oder Diebstahl sind somit vom Tisch. Über das fette Lama kann man von der Klebepistole über das Fernglas bis hin zur High Tech-Drohne nahezu alles leihen, der Slogan Rent (almost) anything ist vielleicht nicht brilliant, aber absolut stimmig.
Dieser Artikel könnte hier enden, sind Idee und Funktionsweise doch geklärt. Der Gründerphilosophie von Chaz Englander, Owen Turner-Major und Rosie Dallas würden die bisherigen Zeilen aber nicht genügen, sie denken vielfältig viel weiter. Die Londoner haben über 10 Millionen Dollar Risikokapital eingesammelt, um wachsen zu können. Mittlerweile ist Fat Llama in fast 30 englischen Städten verfügbar und schickt sich an, auch den US-Markt zu erobern. In New York und San Francisco wird schon fleißig ausgeliehen.
Kenne die freundlichen, seriösen Verleiher dank des Bewertungssystems und freue Dich auf ein hochwertiges Produkt. Spare Zeit, indem Du den gewünschten Gegenstand bei einem Verleihenden um die Ecke entdeckst. Spare Geld, indem Du günstig leihst bzw. verdiene Geld, indem Du Dein Zeug verleihst. Spare Platz, indem Du nicht alles selbst besitzen und lagern musst. Und last but not least: Lerne neue Leute kennen und schlage der Großstadt-Anonymität ein kleines Schnippchen. Übrigens, dass eine Folge-Leihe dann auch mal an Fat Llama vorbei geht, nimmt man dort vor einem sozialen Hintergrund durchaus billigend in Kauf.
Bügeleisen macht Beule
Natürlich hat es nicht lange gedauert, bis die Kritiker und Zweifler aus dem Gebüsch kamen und die Haar-in-der-Suppe-Sucher fündig wurden. Die auf ständiges Wachstum ausgelegte Wirtschaft könnte leiden. Schlimmer noch, Leihen statt Kaufen könnte das gesamte kapitalistische System, wie wir es heute kennen, nachhaltig erschüttern. Dem ist beispielhaft zu entgegnen, dass man die Überfischung der Meere wohl auch besser eindämmt, bevor die letzte Sardine Geschichte ist. Oder wie der Kabarettist Hagen Rether sagte: „Was haben die Henker gejammert, als man die Todesstrafe abgeschafft hat.“
Noch gibt es einen so professionellen und durchdigitalisierten Service wie Fat Llama in Deutschland leider nicht. Es dürfte aber bald soweit sein, Initiativen wie Fairleihen oder Sorglos Fairmieten unternehmen regionale Gehversuche. Guckt also schon mal in die Abstellkammer, in den Keller oder die Garage, ganz sicher steht da totes Kapital rum, das prima zu verleihen wäre. Ich werde vor jeder fragwürdigen Anschaffung ganz bestimmt checken, ob ich nicht besser ausleihen kann. Meinen Laubbläser werde ich ganz sicher anbieten, um wenigstens meine Investition wieder einzuspielen. Und wenn mir an meinem ausleihenden Gegenüber was nicht passt, kann ich ihm immer noch ein Bügeleisen an den Kopf werfen – davon habe ich zwei.
Frag die Hundesöhne gerne zu diesem Artikel. Dann musst Du aber auch mit der Antwort leben können!
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