Brauchtum – Ein Flug über‘s Kuckucksnest

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📅 10. August 2019
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Um manche Dinge zu begreifen, muss man alles in die Verständnis-Waagschale werfen. So versammeln sich in einigen Regionen zu bestimmten Jahreszeiten Menschen, die sich in abgewetzte Uniformen schmeißen oder mit irgendeiner wilden Verkleidung ausstaffieren, um sich dann in kürzester Zeit das Gehirn weg zu schädeln, dass es nur so zischt. Das ist ganz wichtig, sonst funktioniert es nicht. Dann wird gegrölt, gesoffen, geschossen, gestoßen, gefummelt und gekotzt, als gäbe es kein Morgen. Die Rede ist natürlich von Schützenfesten und Karneval. Beide Festivitäten gelten offiziell als sogenanntes Brauchtum und erfreuen sich mittlerweile allgemein und auch bei jungen Migranten großer Beliebtheit. Tendenz: Steigend.

Das normale, durchschnittliche Schützenfest auf irgendeinem Dorf zählt am Abend vielleicht 500 Besucher. Stunden zuvor läuft die Schützenmannschaft fast ohne Publikum zu drittklassiger Blasmusik eher obligatorisch einmal durchs Dorf, feuert ein paar Schüsse in die noch halbwegs saubere Luft und steuert dann den Festplatz samt Partyzelt, Hüpfburg, Bierbude und Würstchenrutsche an. Für Karl-Heinz, Heinrich und Wilhelm ist dieser Tag der Höhepunkt des Jahres, sie sind wieder rotzevoll. Uschi und Annegret werden auch nicht jünger, gehen aber wie immer mit jedem Lüstling hinter die Würstchenbude, der ihnen einen Appelkorn spendiert, damit bloß kein kurzes Würstchen zu kurz kommt. Tradition ist halt Tradition! Basta! Das war es dann auch schon. Kein Skandal, keine Neuerung, alles wie gehabt. Parallelen zu kleinen Karnevalsveranstaltungen sind offensichtlich – nur die Outfits sind noch beknackter, Uschi und Annegret heißen Sylvia und Nadine, aber sonst ist alles genauso unspektakulär.

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Party XXL nach Schema F

In anderen Gegenden eskalieren diese Feste aber komplett. Bei einigen Veranstaltungen sind Zehntausende bis Millionen von Menschen auf den Straßen. Tagelang! Da laufen 20-jährige Hipster mit grünen Hüten und Holzgewehren durch die Gegend, Jura-Studentinnen und Einzelhandels-Azubinen eint das Tragen Mamas Kleider oder verdammt teurer Neuanschaffungen, die hinterher so oder so riechen wie eine Mischung aus „La vie est belle“, Kippen, Kotze und einer Sekt-Kellerei. Mädels und Kleider wohlgemerkt.[breaker]

Noch komischer kommen einem nur die überall immer häufiger stattfindenden und völlig deplatziert wirkenden Oktoberfeste vor. Die haben es von Bayern mittlerweile nicht nur bis Las Vegas (das ist einfach!), sondern sogar bis ins tiefste Rheinland und nach MeckPom und Brandenburg geschafft! Oktoberfest? Wo bitte? Wurden vor wenigen Jahren noch fleißig Herzlichkeiten wie „Depperte Saupreißn!“ und „Blöde Bauernseppel!“ ausgetauscht, huldigt man heute kollektiv hohlen bajuwarischen Ritualen. Überall Dirndl und Lederhosen, 14 harte Taler für einen warmen Liter, Erbrochenes auf den Schuhen, schlimme Musik – was wie eine Strafe klingt, ist tatsächlich ein gesellschaftlich etabliertes Hobby. Ein sehr dankbarer Industriezweig natürlich sowieso.

Geschichte neu

Kurfürst Karl Theodor von Bayern und General Eduard Vogel von Falckenstein, die Kontrahenten in der letzten großen Schlacht zwischen Bayern und Preußen im sog. Deutschen Krieg, würden sich wahrlich wundern. Ersterer würde sich noch toter lachen als er ohnehin schon ist, und der am 26. Juli 1866 siegreiche Preuße würde sich fragen, wieso er überhaupt den Waffengang wählte, wenn doch jetzt sowieso alle in Lederhosen herumlaufen? Freiwillig. Aber nun, ja … tot ist tot.

Bleibt die Frage nach der nicht enden wollenden, häufig sogar wachsenden Beliebtheit solcher Veranstaltungen. Liegt es schlicht an der Lust auf Exzess? Sich einfach mal gehen und die viel beschriebene Sau raus zu lassen? Ganz so einfach kann es nicht sein, schließlich gibt es unzählige sonstige Gelegenheiten, in einer Gemeinschaft von Gleichgesinnten massenhaft Alkohol zu kippen. Für Bars und Clubs vor der heimatlichen Tür muss man weder Klamotten anschaffen noch stundenlange Reisen auf sich nehmen. Wer einfach nur saufen und durchdrehen will, macht das in der Fußball-Kneipe um die Ecke, wo die Brüder und Schwestern im Geiste wie im Rausche schon mal vorglühen.

Verlorenes finden

Die Beweggründe liegen tiefer und sind größer. Wir haben nach Analogien gesucht – und sind nicht nur fündig geworden, sondern auf etwas Interessantes gestoßen. Untersuchungen haben ergeben, dass gerade junge Migranten die traditionellen und oft stark konservativen Werte ihrer Eltern und Großeltern wieder sehr genau nehmen. Genauer als die älteren Generationen selbst. Dies sei, so widersprüchlich es zunächst klingen mag, ein Ergebnis von zuvor erlebter Ablehnung und mangelnder Anerkennung durch die ursprünglich eingeborene Bevölkerung, hierzulande der deutschen. Dadurch käme es zu einer Art identitätsstiftender Trotzreaktion. Man schlage damit zwei Fliegen mit einer Klappe: Eine türkische Abart von „Mia san Mia“ gepaart mit einem „Jetzt erst recht!“

Es gibt also offenbar größere Gemeinsamkeiten zwischen dem niederbayrischen Stammtisch, der rheinischen Pinte und der anatolischen Teestube als man zunächst vermuten würde. Man besinnt sich stärker denn je auf eigene traditionelle Merkmale, adaptiert ausgewählte sonstige und baut daraus (wieder) das eigene Ich. Gleichzeitig wird das ersehnte Gefühl begünstigt, Teil einer Gemeinschaft, eines großen Ganzen zu sein, aus dem heraus man zeigen kann, wer man ist und worauf man nun mal stolz ist. Es scheint, als führe die Wiederkehr traditioneller Werte zu Konservatismus und damit zu einem verstärkten Zugehörigkeitsgefühl – leider nur zur ureigenen Volksgruppe.

Problem & Hoffnung

Eine überhöhte Ich-Identifikation fördert sicherlich nicht die Integration. Ob Deutscher im Döner-Outfit oder Türkin im Dirndl – nach nur einer besoffenen Nacht, in der man sich singend in den Armen lag, ist alles wieder vorbei. Das war mal anders. Und nachhaltiger. In den 50er und 60er Jahren stiftete Politik Identität, in den Siebzigern war es die sexuelle Revolution, in den 80er und 90er Jahren verhalfen Musik und Mode zur eigenen Persönlichkeit. Heutzutage steht Politik für leere Versprechungen, wird Musik konsumiert wie eine Schale Pommes, haben Grundschüler mühelos Zugang zu Hardcore-Pornos. In diesen inhaltslosen Zeiten scheint es irgendwie cool zu sein, die 4-Promille-Grenze zu knacken, um sich kollektiv in die Lederhosen und ins Bibo-Kostüm zu pissen. Ist das also die neue Zusammengehörigkeit? Kultur als Alibi? Wer Tradition zum Selbstzweck formt, ehrt sie nicht, sondern tritt ihr in die Fresse. Macht sie mundtot. Dann kann sie nicht mehr sagen, was sie längst denkt und sagen will: Saufen für die Liebe ist wie Ficken für die Jungfrau.

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